Unsere Geschichte
Die Gründung eines "Vereins für vaterländische Naturkunde" erfolgte im Zuge der kräftigen Entwicklung der Naturwissenschaften und des Aufblühens der Erforschung der heimischen Natur seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Vor allem die Tagungen der 1822 gegründeten Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte an wechselnden Orten im deutschen Sprachgebiet waren vielerorts Auslöser für Gründungen regionaler naturwissenschaftlicher Vereine. So auch in Württemberg: im Jahr 1834 hatte die Tagung der Naturforscher und Ärzte in Stuttgart stattgefunden - von da an dachte man über einen regionalen Verein nach, der dann 10 Jahre später gegründet werden konnte. Gründungsmitglieder waren u. a.: Graf Wilhelm von Württemberg (1810-1869; der 1844 der erste Vorsitzende des Vereins wurde, bis 1854), Prof. Wilhelm von Rapp aus Tübingen (1794-1868; von 1844 bis 1854 stellvertretender Vorsitzender, dann bis zu seinem Tode 1868 Vorsitzender), Staatsrat Wilhelm Friedrich Ludwig (1790-1865) und Johann Gottlob Kurr (1798-1870; von 1854 bis zu seinem Tode 1870 stellvertretender Vorsitzender); weiterhin Ferdinand Krauss (1812-1890), später Vorsitzender der Württembergischen Naturaliensammlung und von 1872-1890 Vorsitzender des Vereins, Hugo von Mohl und Hermann Fehling. Erster "Vereinscassier" wurde der Apotheker Gottlieb Weismann (1798-1859).
Berühmte Namen erscheinen in der Vereinsgeschichte: Aus der älteren Zeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts seien genannt: Wilhelm Branco, Carl Deffner, Theodor Engel, Oscar und Eberhard Fraas, Carl Friedrich Gärtner, David Geyer, Albert Günther, Friedrich Hegelmaier, Georg Friedrich Jaeger, Gustav Jäger, Oskar Kirchner, Carl Benjamin Klunzinger, Ernst Koken, Georg von Martens, Julius Robert Mayer, Friedrich August Quenstedt, August Schmidt, Simon Schwendener, Wilhelm Weinberg. Auch Robert Bosch war ab 1895 Mitglied.
Von Anbeginn an war der Verein eng verbunden mit der Staatssammlung, heute Staatliches Museum für Naturkunde in Stuttgart, sowie mit den Universitäten in Stuttgart (früher Polytechnikum und Technische Hochschule), Stuttgart-Hohenheim (früher Landwirtschaftliche Hochschule) und Tübingen.
Bei der Einführung des Namens "Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg" lag der Gedanke ferne, das Wort "vaterländisch" im Sinne von "nationalistisch" zu deuten. Man hat ja auch in den Zugangslisten die örtliche Herkunft eines Fundes unter der Spalte "Vaterland" angegeben. Aufgrund seiner Missverständlichkeit in heutiger Zeit wurde der Namen 1969 in "Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg" geändert. Aus dem Protokollbuch des Vereins ist zu ersehen, dass bereits 1901 C.B. Klunzinger vorgeschlagen hat, den Verein "Württembergischer Verein für Naturkunde" zu nennen. Er wollte damit zu verstehen geben, dass die naturkundlichen Arbeiten in den Jahresheften sich in zunehmender Zahl mit allgemeinen Themen befassen und sich nicht nur auf die Natur-Erforschung des Landes Württemberg beschränken. Klunzinger hat sich jedoch mit seinem Vorschlag nicht durchsetzen können.
Zum Programm des Vereins gehört seit der Gründung die Verbreitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse mittels Schriften, Vorträgen und Exkursionen. Früher besaß der Verein auch eigene Sammlungen und eine eigene umfangreiche Bibliothek.
Alle Unternehmungen des Vereins werden koordiniert durch den Vorstand, bestehend aus dem Vorsitzenden, einem (seit 1961 zwei) stellvertretenden Vorsitzenden, einem Schriftführer und einem Schatzmeister. Die früheren Ämter des Konservators der Sammmlungen und des Bibliothekars sind weggefallen. Dem Vorstand steht ein Ausschuss zur Seite, dessen Mitglieder in bestimmtem Turnus neu gewählt werden. Die Vorsitzenden blieben bis 1890 für längere Zeit im Amt, ab 1896 wurde die Amtsperiode auf drei Jahre beschränkt (bis 1977 ohne Möglichkeit zur direkten Wiederwahl, seither einmalige Wiederwahl zulässig). Einmal jährlich findet eine Mitgliederversammlung statt, die seit der Einführung von Exkursionen im Sommerhalbjahr (1974/75) stets in Stuttgart im Herbst abgehalten wird.
Der Verein wird getragen von den ordentlichen Mitgliedern. Deren finanzielle Beiträge ermöglichen die Deckung der Unkosten für die Herausgabe und den Versand der Jahreshefte und die Vortragsveranstaltungen.
Die Zahl der Mitglieder ist naturgemäß Schwankungen unterworfen. Aus ihnen lässt sich nicht nur Wohlstand und Not des Volkes ablesen, sondern auch erhöhtes oder vermindertes Interesse an der Vereinstätigkeit.
Neben ordentlichen Mitgliedern gibt es noch Ehrenmitglieder und Korrespondierende Mitglieder. Zu Korrespondierenden Mitgliedern können außerhalb Württembergs wohnende Personen gewählt werden, wenn sie die wissenschaftliche Arbeit des Vereins in irgendwelcher Weise relevant unterstützen. Zu Ehrenmitgliedern werden solche Personen ernannt, die sich durch besondere Dienste für den Verein hervorgetan oder die besondere wissenschaftliche Leistungen erbracht haben. Ehrenmitglieder und Korrespondierende Mitglieder sind von der Beitragspflicht befreit.
Das eigentliche Publikationsorgan des Vereins sind die Jahreshefte der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg, die bis 1968 Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde hießen. In den Jahresheften 1 (1845) bis 37 (1881) wird als Bogensignatur "Württemb. Naturwiss. Jahreshefte" verwendet. Diese Bezeichnung war von 1859 bis 1881 ein weiterer offizieller Name für die Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde. In der erwähnten Zeit von 1859 bis 1881 war der Einband bedruckt mit "Württembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte", während das Titelblatt mit dem bis 1968 gebräuchlichen Zeitschriftentitel versehen war. Die Jahreshefte haben von 1845 bis heute in mehr als 2.000 Veröffentlichungen die Ergebnisse naturkundlicher Forschung in der Region Württemberg verbreitet.
1864 wurde beschlossen, die Sammlungen des Vereins für vaterländische Naturkunde zusammen mit der Württembergica-Sammlung des Naturalienkabinetts (heute Staatliches Museum für Naturkunde in Stuttgart) zu einer "Centralsammlung württembergischer Naturalien" zu vereinigen. 1867 wurde die vereinigte Sammlung württembergischer Naturalien in einem Extra-Saal des Naturalienkabinetts als Dauerausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt.
Ab 1865 gehörte es zur Aufgabe der Konservatoren des Naturalienkabinetts, auch die Sammlungen des Vereins zu verwalten. Trotz weitgehender Integration in die Sammlungen des württembergischen Staates waren Etikettierung und Inventarisierung der aufgenommenen Sammlungsgegenstände noch gesondert. Bis 1909 war noch ein eigener Bereich für die Zugänge zu den Vereinssammlungen in den Jahresheften abgedruckt worden. Von da ab verschmolz die Vereinssammlung ganz allmählich mit der "Württembergischen Landessammlung des Naturalienkabinetts".
Durch Stiftungen und Schriftentausch mit anderen Instituten war in der Zeit von 1845 bis 1939 eine umfangreiche vereinseigene Fachbücherei zusammengekommen. Der zunehmende Umfang der Vereinsbibliothek, die seit 1865 eine Heimat im Stuttgarter Naturalienkabinett gefunden hatte, brachte zusehends Probleme, was Unterbringung und Betreuung anbetrifft. Schon 1930 wurde der Wunsch laut, die Bibliothek zu verkaufen. 1939 war es dann so weit, dass die Württembergische Landesbibliothek den größten Teil der Vereinsbibliothek gegen Entgelt übernahm. Fünf Jahre danach wurde aber leider auch diese Bibliothek während eines Bombenangriffs auf Stuttgart vernichtet.
Der Verein für vaterländische Naturkunde hat nach 1930 mehrmals Grundstücke gekauft. Der Zweck war zum einen, die Ursprünglichkeit bestimmter Pflanzengesellschaften zu bewahren und zum anderen, eine Fossillagerstätte ausschließlich für die paläontologische Forschung zu reservieren. Heute noch sind im Besitz des Vereins die Holzwiesen im Irndorfer (früher Irrendorfer) Hardt, nördliche Markung Irndorf. Durch Zukäufe in den 50er, 80er und 90er Jahren besitzt die Gesellschaft dort nunmehr mehr als 61 ha. 1938 kaufte der Verein den Steinbruch und umliegende Parzellen auf Flur Steinbühl, Markung Nusplingen. Schon F. A. Quenstedt hat 1843 auf die Fossilienfunde im Nusplinger Plattenkalk hingewiesen. Ein weiterer flächenmäßig kleiner Besitz ist ein Küchenschellen-Standort auf Markung Ditzingen.
Wie aus der Vereinssatzung hervorgeht, gehörte es stets zum Programm, nicht nur am Hauptort Stuttgart, sondern auch an anderen größeren, mit der Eisenbahn erreichbaren Orten Versammlungen abzuhalten, um nicht in zentralistische Isolation zu geraten, was den Verein in den entfernteren Regionen des Landes unpopulär gemacht hätte. So entstanden schon im 19. Jahrhundert die ersten beiden Vereinszweige, denen später noch zwei weitere folgten.
Seit ihrer Gründung hat die Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg die Funktion, die an der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Natur Interessierten, ob Fachleute oder Laien, zusammenzuführen und Gedankenaustausch zu ermöglichen. Wir werden heutige wie zukünftige Probleme nur mit den Naturwissenschaften und ihrer Anwendung meistern - keinesfalls gegen oder auch nur ohne sie! Die Beschäftigung mit der Natur ermöglicht - unabhängig von großen Zielen - vielen Menschen Befriedigung und Freude. Regionale Aufgabe naturwissenschaftlicher Vereinigungen ist es, den Naturwissenschaften breitere Anerkennung in der Gesellschaft und damit den ihren Leistungen für die Gesellschaft entsprechenden Stellenwert zu gewährleisten.